Samstag, 25. Mai 2013

ru24 History 47: Hochfrequentes Gekreische (1986)

http://goo.gl/Wd5wA
1986 war ich mit Kumpel M. auf Teneriffa (Kanaren) in einer Hotelanalge namens Bahia Parque. Den Urlaub hatten meine Eltern bezahlt, ich sag mal, es war jetzt alles nicht ganz so übel. Das Hotel lag etwas entlegen inmitten von Bananenplantagen, im Meer konnte man zwar wegen einer hammermäßig starken Strömung nicht schwimmen, aber sonst, hey! Deutsche waren nicht zu viele dort, die meisten anderen hier absteigenden Touristen waren zu diesem Zeitpunkt reichlich unverständlich sprechende Walliser (möglicherweise aus Caerdydd) und minimal  verständlicher sprechende Briten aus anderen Teilen des Vereinigten Königreichs.

An unserem ersten Abend vor Ort beschlossen Kumpel M. und ich nach dem Abendessen, mal die hoteleigene Disco zu besuchen. Wir waren jung und bretzelten uns etwas auf. Bei mir bedeutete das, dass ich mir die Haare bürstete, was unterm Strich bedeutete, dass ich keinen Deut anders aussah als vorher. Ich hatte ein nicht zu bändigendes Medusenhaupt, seinerzeit. Kumpel M. war da etwas ausgebuffter: Er schlüpfte in eine schwarzweiße Leoparden-Röhrenjeans, was bei [deutschen] Metals in den 80ern durchaus im Rahmen der Möglichkeiten lag. Dazu kamen passendes Shirt mit japanischen Schriftzeichen, Kangaroos-Turnschuhe, die Haare wurden möglichst stachelig hochgestylt und los gings.
Wir betraten die Disco. Anwesend waren vielleicht gerade mal 50 Jugendliche. Dann brach plötzlich das ohrenbetäubende, hochfrequente Gekreische einer Massenpanik aus! Menschen strömten quiekend wie Schweine aber mit maximalem Abstand zu uns an uns vorbei in Richtung Ausgang, es war eine Stampede aus dem Nichts!!! Sekunden später standen wir zwei alleine in der Hoteldisco. Die Discokugel drehte sich etwas verhalten, es spielte "Frankie Goes to Hollywood - Rage Hard".
"Hä?", fragten wir uns gleichzeitig.
Blut rauschte in unseren Ohren.
Hinter dem DJ-Tresen kauerte der Plattenaufleger und deutete mit zitterndem Finger auf Kumpel M.s Hose.
"The trousers! Gay! Gay! ... Not good! ... AIDS!!!", winselte er.
Uns ging auf, dass das  hochfrequente Gekreische der Massenpanik nichts anderes gewesen war als ein einziger, durchgehender Schrei: "A-A-A--I-I-I--D-D-D--S-S-S!!!"
OK, Kumpel M. hatte mit seiner Leoparden-Hose also eine AIDS-Massenhysterie ausgelöst...
Worauf man nicht sofort kam: Die vorwiegend britischen Jugendlichen hielten ihn nur aufgrund seines Beinkleids für 1) schwul, 2) selbstverständlich HIV-infiziert und 3) etwa so hochgradig infektiös wie einen Ebola-Fall.
Jetzt spielte es "Genesis – Invisible Touch".
M. verschwand in Windeseile im Hotelzimmer und zog sich sehr schnell um.
Mit anderen Hosen konnte er den Fall dann noch aufklären.