Freitag, 8. März 2013

ru History 45 - Zu spät beim Zivildienst

http://goo.gl/vfVRV
Bereits in sehr jungen Jahren hatte ich beschlossen, dass "Bundeswehr" keinesfalls etwas für mich war. Dennoch nahm ich 18-jährig (1985) erst einmal die Einladung zur Musterung im Kreiswehrersatzamt in Solingen an. Dieses verstörende Erlebnis räumte letzte Zweifel aus - und es lag beileibe nicht nur an Solingen. Mithilfe eines Remscheider Pastors, der sich auf Verweigerungen spezialisiert hatte, schrieb ich ein ultimativ aufpeitschendes Pamphlet. Wann immer ich diese aufwühlenden Zeilen las (sechs eng beschriebene Schreibmaschinenseiten), schossen mir die Tränen in die Augen! Das war ganz, ganz großes Kino!!!
Und tatsächlich: In nächster Zukunft war das "Bundesamt für Zivildienst" für mich zuständig. Ich bewarb mich um eine Stelle bei der Lebenshilfe in Remscheid-Lennep und wurde angenommen.

Am großen Tag war ich etwas aufgeregt, fünf Minuten vor Arbeitsbeginn betrat ich das Behinderten-Wohnheim, meine neue Dienststelle für die nächsten 18 Monate.
Im feudalen Eingangsbereich stürzte sich so freudestrahlend wie eloquent ein Herr auf mich. Begeistert schüttelte er meine Hand, jauchzte: "Wunderbar! Sie sind sicherlich der neue Zivildienstleistende! Mein Name ist Kluth!"
Na, das fing ja gar nicht so schlecht an!
Herr Kluth trug ein weißes Hemd, ein Jackett und ein aufdringliches Rasierwasser. Rückblickend würde ich heute sagen, dass bei einer Verfilmung des Blogbeitrags ein Christoph Waltz (im Fatsuit & mit seit längerem überfälligen Friseurtermin) die Idealbesetzung wäre.
"Ich führe Sie herum!", schäumte er.
"So, dies ist die Großküche sozusagen. Haha! Nun, wie Sie sehen ist hier alles auf die Belange der Verpflegung der 25 Bewohner eingerichtet! Mit allem Komfort und Zurück sozusagen - haha! Wenn Sie sich selbst ein Bild machen möchten: Schauen Sie hier!"
Seine Eloquenz riß mit Elan die Schränke auf, wies auf Lebensmittel, Gewürze und Gerätschaften hin.
"Wenn Sie mir zu den Bädern folgen wollen!"
Herr Kluth verschwand energiegeladen in einem der Bäder des großen Hauses, sein Sog riss mich förmlich mit. Wortgewaltig pries er dieses und jenes. Im Handumdrehen befanden wir uns im ersten Stock, begutachtetetn die Zimmer der Bewohner, weitere Bäder, Wohnzimmer.
Die Führung dauerte jetzt schon 20 Minuten - mir schwirrte der Kopf!
Das Bonbon der Führung, den Höhepunkt hatte sich Herr Kluth für den Schluss aufbewahrt.
"Und das hier ist mein Zimmer! Haha!", er ließ sich aufs Bett plumpsen.
"Jetzt zeige ich Ihnen meine Fotoalben!", rief er aufgeregt.
"!!!", sagte ich.
Ich hatte mich 20 Minuten lang von einem Heimbewohner herumführen lassen!

So kam ich an meinem ersten Tag an der Dienststelle 15 Minuten zu spät.
Mit Herrn Kluth hatte ich in den nächsten eineinhalb Jahren noch viel Spaß.