Donnerstag, 8. August 2013

Vatter 3: Einkäufe (2002)

http://goo.gl/UWjyKb
2002: Freitags Nachmittags um 17:10 Uhr kommen meine Eltern, Anfang bis Mitte 70, auf die glorreiche Idee, ihre Wocheneinkäufe zu erledigen. Die gesamten Einkäufe der Woche wurden halt immer schon Freitag Abends gemacht, warum dat ändern, nur, weil man seit Meppen in Rente ist?
De Vatter setzt en weißen Mazda 323 Stufenheck (Bild) rückwärts ausse Garage. Dann geht er zurück, um dat Garagentor zu schließen, weil, dat kann man nich aufstehen lassen, da is immer son Kros. De Mutter hatte hinter der Haustür gewartet und durche Glasbausteine gekuckt, damit se "de Abgase nicht einatmen muss", schließt dann de Haustür gründlichst hinter sich ab, kontrolliert dat noch mal ("man hört ja so viel" aka "die klauen wie die Raben") schreitet würdevoll, ja majestätisch zum Auto un steigt ein. Se hat schon seit Jahrzehnten dat Haus nicht mehr ohne Begleitung verlassen.
De Vatter fährt los in Richtung des Radevormwalder Schloßmacherviertels. Nach 500 m sind se schon da. Se drehen ne Runde über en Parkplatz – kein freier Platz weit un breit, schon gar nich vor ALDI, et herrscht Hochbetrieb. Se drehen gleich noch ne Runde und ne Weitere. Parkplatz: Fehlanzeige. De Vatter wird wat mucksig. Er umklammert dat Lenkrad wie en Bomberpilot. Int Parkhaus könnense auch nich, da isset zu eng, da is de Vatter schonmal angeschrammt. De Mutter versucht de Situation zu entschärfen, indem se auf blühende Kirschbäume (hinten vorm Lidl) hinweist und ihm dabei mitm Finger minimal kontraproduktiv vor den Augen herumfuchtelt.
"Kuck ma Rudi, da hinten, wat isset herrlich! – Hanä! Wat ne Pracht!!!"
De Vatter knirscht mit den Zähnen, dreht noch ne Runde, Schweiß tritt auf seine Stirn.
"Et blüht aus allen Knoppslöchern!", begeistert sich de Mutter.
De Vatter is, sagen wer mal, minder enthusiastisch.
Man dreht noch ne Runde, et ist en Verkehrsgewühl vom Allerfeinsten.
"Kuck mal, so Punker! Man sollet nich für möglich halten!", lacht de Mutter kopfschüttelnd un etwas aufgesetzt, wobei se dat 'u' in Punk wie et 'u' in Ute ausspricht.
De Vatter indes verläßt en Parkplatz, hat genug, fährt wortlos heim.
"Mein Gott!", sacht de Mutter. Kurz drauf: "Vielleicht hat de Waltraud noch wat Milch, die se uns leihen kann!", schiebt se wat kleinlaut hinterher.
De Vatter zuckt mit den Schultern, wischt sich de schweißfeuchte Stirn, fährt den Wagen zurück in de Einfahrt, steigt aus, öffnet dat Garagentor.
De Mutter geht schnell rein, "wegen de Abgase".
Se ruft ihre Schwester Waltraud an.
"Da müssen wir aber morgen Mittag noch wenigstens zum Langenfeld fahren, wegen de Kartoffeln", sacht de Mutter, als de Vatter wieder drin is.
Der knurrt wat, schenkt sich ein Bier ein.
Bislang hat er noch nix gesagt.

De Tante Waltraud bringt später nach Ladenschluß noch zwei Beutel Milch vorbei, gottseidank, weil se wohnt ja zwei Häuser weiter. Die bei ihr abzuholen, auf die Idee wär in 100 Jahren keiner gekommen, weil: is so.