Donnerstag, 24. Juli 2014

All tomorrow's parties (1992)

photo credit: lietz.photography via photopin cc

Zwischen Januar 1992 und März 1996 habe ich als studentische Hilfskraft bei der Barmag AG gearbeitet. Einer meiner ersten Jobs dort fand in der Normabteilung statt. Es war eine kleine Abteilung mit einer Bürokraft (Frau V.), drei identischen, seitengescheitelten Norm-Klonen und einem in Ehren ergrauten Chef, Herrn Faust. Hier war noch nie etwas weggekommen! Die Norm-Klone saßen mit ausdruckslosen Gesichtern an ihren (damals computerlosen) Schreibtischen, hie und da standen sie auf, um sich auf der Toilette die Scheitel mit dem Lineal nachzuziehen. Morgens sagten sie "Guten morgen!", Mittags "Mahlzeit" und Abends "Schönen Feierabend!" (Freitags: "Schönes Wochenende").
Was ich in dieser Abteilung gemacht habe, habe ich tatsächlich vollständig vergessen, es war irgendwas unsagbar Langweiliges und ich war doch noch so jung!
Im Gedächtnis geblieben ist mir der Chef, Herr Faust. Er war der einzige in der Abteilung, der immer richtig gut drauf war. Seine Rente stand kurz bevor (ein bis drei Jahre in der Zukunft), der dienstälteste Dipl.-Ing.-Norm-Klon würde ihn wohl eines Tages als Chef der Normabteilung beerben. Aber bis dahin machte Herr F. hart Party! Er hatte einen Tischkalender, in dem alle Geburtstage, Jubiläen, Verabschiedungen eingetragen waren, die ein so großes Unternehmen von 6.000 Mitarbeitern beging. Die Abteilung, in der solches stattfand war ihn dabei piepegal, auch, ob er der feiernden Person jemals begegnet war, Hauptsache es gab Mettbütterchen und Sekt!
Morgens um 9.00 Uhr schlug er also seinen Kalender auf, der Finger wanderte zu Party des Tages No. 1, dann sprang er sehr dynamisch auf und verabschiedete sich mit den Worten: "Ich bin mal kurz weg!" Die Norm-Klone warfen ihm gallige Blicke hinterher und rollten wild mit den Augen. Nach ein bis zwei Stunden tauchte der Chef wieder auf - gut geplauzt und heftig angeschickert. Oft schlief er bis zur Mittagspause einfach am Schreibtisch seinen Rausch aus, dann ging er mit einem markigen - "Mahlzeit!" - in die Kantine Essen fassen. Nachmittags gab es dann den zweiten Mett-und-Sekt-Termin. Gegen 15.00 Uhr war er zurück: Schwankender Gang, unsteter Blick, krasses Kichern! Noch ein kleines Nickerchen, und schon war der Arbeitstag herum ...

Ich war sehr beeindruckt!
Ich beugte mein Knie!
So einen chefmäßigen Job wollte ich später auch mal machen!


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