Donnerstag, 28. Mai 2015

ru24 Wissen - Ein zu Dreivierteln ertränktes Neozoon erobert einen Kontinent

photo credit: Thrush and worm via photopin (license)

Ein Neophyt, ist eine Pflanze, die seit 1492 mithilfe des Menschen bewusst oder unbewusst in ein Gebiet gelangt sind. Prominente Beispiele in Deutschland sind der Riesen-Bärenklau (Herkulesstaude), das Indische Springkraut, aber auch die Minze oder der Rettich (komplette Liste). Mit dem Neozoon verhält es sich vergleichbar, nur auf die Tierwelt bezogen. In Deutschland ist es z.B. der Waschbär, der in Großstädten lebende Halsbandsittich, die Regenbogenforelle und der asiatische Marienkäfer (Blogbeitrag), um wenige zu nennen (komplette Liste).
"Neozoen sind (...) jene Tiere, die nach 1492 [der Entdeckung Amerikas] direkt oder indirekt durch den Menschen in eine andere Region gelangten." (a.a.O.)
Überraschenderweise gab es in Nordamerika seit rund 100.000 Jahren keine Regenwürmer (Lumbricus terrestris) mehr. Diese waren mit der letzten Eiszeit samt & sonders ausgestorben. Als es mit dem Ende der Eiszeit wieder Wälder gab, fehlte es komplett an dem Gewürm, welches bis dato das am Boden herumliegende Laub gefressen hatte. So entstanden in den Wäldern dicke Laubschichten, in denen Vögel nisteten und die die Bäume im Winter vor Frost schützten.
Nun wird der Regenwurm in Nordamerika wieder heimisch. Als Neozoon breitet er sich rund um Seen und Teiche herum aus, nur im Kriechgang zwar, dafür aber beständig. Verbreitet wird er durch glücklose Angler, die, wenn sie nichts gefangen hatten, das zu dreiviertel ertränkte Gewürm (aus dem Anglerzubehör) einfach achtlos hinter sich auf den Boden werfen. Dort beginnt sich Earthworm Jim nun negativ auf das Boden-Ökosystem der Laubwälder auszuwirken (Quelle).
Ein zu Dreivierteln ertränktes Neozoon erobert einen Kontinent.
Sachen gibt's.


Montag, 25. Mai 2015

Baumarkt

photo credit: shades via photopin (license)

Zwingen mich die Umstände, einen Baumarkt zu betreten, dann habe ich auch gleich schon "son Hals". Ja, es ist etwas Persönliches.
"Ein Baumarkt ist in der Regel ein großflächiger Supermarkt, der sich auf Materialien für Heimwerker spezialisiert hat. Bekam man früher beispielsweise Werkzeuge und Nägel ausschließlich beim Eisenwarenhändler, Farben und Tapeten im Farbenfachgeschäft, Holz beim Holzhändler und Baustoffe im Baustoffhandel, so kann man heute in einem Baumarkt fast alles an einem Ort bekommen." (Wikipedia)
Genau das ist nämlich das Problem.
Wenn de Vatter früher ein Dösken Spax-Schrauben und ein paar Eisenbeschläge brauchte, dann ist er zu "Bodo Schilkowski" in der Stadt gegangen. Der hatte da einen Eisenwarenladen. Da hat er sich an den Tresen gestellt und Bodo, angetan mit einem grauen Kittel hat ihn bedient. Ein Schwätzchen war auch noch drin. Es wurden nur Waren verkauft, die auch etwas taugten. Manchmal musste Bodo noch in den Keller gehen, aber der hatte immer alles vorrätig. Es war auch nicht gerade billig, aber die Qualität stimmte und nach fünf Minuten hatte de Vatter seinen Kram zusammen und ist wieder gegangen.
Wenn de Vatter früher renovieren wollte, dann ist er zu "Ewald Hombrecher" in der Nachbarschaft gegangen und hat Wandfarbe gekauft, Abtönfarbe und auch noch die Tapetenrollen dazu. Ewald hat ihm gesagt, wie viel er von was braucht und der hatte per se auch nur Farben und Tapeten im Haus, die auch etwas taugten. Et war auch nicht billig zu nennen, das Ganze, aber nach kaum zehn Minuten hatte de Vatter alles und trollte sich.
Wenn de Vatter was mit Elektrik machen wollte un mit dem antiken Krempel, den er im Keller herumfliegen hatte, nicht mehr weiterkam, dann ist er zu "Hartmut Biesenbach" in der Stadt gegangen. Der hatte da ein Elektrogeschäft. Da hat er sich an den Tresen gestellt und Hartmut hat ihn dann bedient. Der bürgte noch für die Qualität seiner Ware. Preiswert war anders, aber nach fünf Minuten hatte de Vatter alles zusammen und ist wieder abgezogen.

Was bietet stattdessen die Moderne?
Bigger is better. Der neueste Baumarkt in Wuppertal hat 18.100 m², das sind scheiß 1,81 Hektar! In Läden groß wie 2,53 Fußballfelder rennt man sich nun also die Hacken wund. Die Abteilungs-Tresen sind in aller Regel verwaist, oder, falls irrtümlich "bemannt", von Kunden belagert wie mittelalterliche Burgen. Trifft man irgendwo "unterwegs im Markt" glücklicherweise einen Mitarbeiter an, ist der mit 75%iger Wahrscheinlichkeit von einer ganz anderen Abteilung und kennt sich keinesfalls aus, mit 25%iger Wahrscheinlichkeit ist er nur irgendein Konsument im zufällig gerade zum Baumarkt farblich passenden Polohemd. Man sucht sich seinen Krempel also wohl oder übel selbst zusammen, Es bleiben jede Menge Fragen offen. Schade dass man keine Snickers dabei hat, weil es mal wieder etwas länger dauert. Vieles, was man findet -- wenn man es denn findet -- wirkt wie in großer Eile aus minderwertigen Materialien in asiatischen Sweatshops zusammengekloppt, es sei denn, es steht "Made in Germany" drauf, dann ist es aus Rumänien. Der 15%-Coupon aus der Zeitung, den man dabei hat, gilt nur für Malerei-Zubehör, nicht für Malerfarben. Am liebsten würde man ja jetzt alles stehen lassen -- wenn man den Scheiß nicht brauchen würde. Man bezahlt einen überraschend hohen Betrag und flieht.
Zu Hause stellt man dann spätestens beim dritten Überstreichen der Wand fest, das Alpinaweiß zwar die bestbeworbene aber bei weitem nicht die Farbe mit der besten Qualität ist -- eigentlich logisch, wenn man drüber nachdenkt.

Was ich stattdessen großartig fände:
Ein Back-to-the-roots-Fachmarktzentrum, das nicht nur so heißt, sondern wo Bodo (im grauen Kittel), Ewald und Hartmut immer hinter ihren jeweiligen Tresen stehen, ihre Kunden richtig beraten, bedienen und mit ihrem guten Namen für die Qualität der Waren stehen. Dann darf's gerne auch mal etwas mehr kosten und ich verzichte auch total freiwillig auf für Erwachsene ohnehin völlig unwürdige Sammelpunkte, Payback- und Rabatt-Coupon-Schnullewupp & -Schnickes wie bei OBI & Co.


Freitag, 22. Mai 2015

ru History: SoftRAM (1995)

photo credit: scenes from the 5x86 PC build via photopin (license)

Für alle, die 2014 und 2015 über hohe Hardwarepreise im PC-Bereich klagen (Bericht).

1992 habe ich bei Atelco in Wuppertal meinen ersten PC gekauft: Es war ein 468-DX33 mit 4 MB RAM und einer 80 MB großen Festplatte (Blogbeitrag). Jahrelang habe ich mit dem Teil herumgezaubert und die Festplatte war nicht einmal halb voll... :D
Wegen irgendwelcher bizarrer Details der Windows 3.11-Speicherverwaltung war nur ein Teil des mit 4 MB ohnehin nicht gerade opulenten Arbeitsspeichers verwendbar. Dazu kam, dass einmal verwendeter Arbeitsspeicher auch nicht einfach so wieder "freigegeben" wurde, auch wenn man die Anwendung beendete. Bei mir lief später permanent eine kleines Tool namens "Memmaker", welches nur den einen Job hatte: unbenutzten Speicherplatz wieder freigeben.
Wollte man etwas Anspruchsvolleres spielen als "Minesweeper", musste man für viele Spiele (wie für das großartige "Day of the Tentacle" oder den Knaller "Sam & Max hit the Road") eine Bootdiskette erstellen, den Rechner mit im Laufwerk steckender Diskette neu booten, die dann mit speziellen Einstellungen in der autoexec.bat den Speicherplatz anders freigab.
Irgendwann in 1995 war das alles nicht mehr schön.
Mehr Arbeitsspeicher musste her!
Doch ach! Ein Erdbeben hatte in Japan einfach ein paar Chip-Fabriken platt gemacht, die Preise stiegen unaufhörlich, ein einziges (also 1) MB RAM Arbeitsspeicher kostete zu der Zeit satte 100 DM, eine vernünftige Aufrüstung hätte somit 400 DM gekostet.
Heul!
Da kam die Firma Syncronys Softcorp mit ihrem Programm SoftRAM (ab Windows 3.0) gerade richtig! Das Programm versprach, alle kritischen Speichersituationen auf einmal zu beheben und den Arbeitsspeicher in Echtzeit zu komprimieren, sodass aus 4 MB sofort 8 MB wurden!
Shut up and take my money!
Der Aktienkurs des heilsbringenden Unternehmens schoss durch die Decke wie ein Senkrechtstarter, vertausendfachte sich binnen kürzester Zeit. Dann der Absturz: All die auf der Packung aufgedruckten Versprechen waren komplett gelogen, die Anwendung ein Placebo ohne jede Wirkung (Artikel c't 12/95), die Syncronys-Aktie zerbröselte zu einen Penny-Stock.

Alles Gute kommt zu dem, der warten kann: Irgendwann gingen die Preise für RAM dann auch mal wieder runter.


Donnerstag, 21. Mai 2015

ru24: Europa

photo credit: Frankfurt Skyline II - HDR via photopin (license)

Es gibt eine neue ru24-Serie: Europa.
Klickt den Link und genießt die Vielfalt dieses wunderbaren Kontinents.
Weiße Flecken auf der Landkarte werden peu à peu gefüllt.


Mittwoch, 20. Mai 2015

Der Preis des Erfolges

photo credit: coconut ice cream via photopin (license)

Mit der Liebsten schalenderte ich die Stargarder Straße entlang, Prenzlauer Berg, Berlin. Das Wetter war fein und gleich würde auf der rechten Seite eine Eisdiele kommen, wir schauten uns an: Nein, kein Eis für uns!
Grundgütiger!
Wir waren ja so dermaßen vernünftig!
150 Schritte später gab's auf der linken Straßenseite eine Menschenschlange wie zu DDR-Zeiten. Wir staunten, kamen näher.
Nun, hier hatte wohl ernstlich DER EISLADEN DER GÖTTER, ach was, die scheiß EISPATISSERIE DER GÖTTER aufgemacht! Der Laden hieß Hokey Pokey. Schickes Interieur, prächtiges Corporate Design, hinterm Tresen in einheitlicher Kledage drei wirklich ansehnliche Maiden mit den Haarfarben Brünett, Blond und Rot (mit Sicherheit kein Zufall). Dann die Eissorten! Ich will es so sagen: Ein Etablissement, welches neben "Salted Peanut Caramel" auch "Walnuss Brownie", "Mohnmarzipan", "Rhabarber Creme fraiche" und "französische Schokolade", führt, lässt keine Wünsche für den modernen Gaumen des Dritten Jahrtausends offen!
Die Preise waren allerdings respektabel.
Total überraschenderweise beschlossen wir, entgegen unserer gegenseitigen Versicherung von vor gerade eben 3,5 Minuten, nun doch ein Eis zu essen -- und zwar eins zu 1,60 EUR pro Bällchen.
*räusper*
Was soll ich sagen? Göttlich!
Während ich mein Salted Peanut Caramel-Hörnchen schleckte, hatte ich eine Hand frei und googlete den Laden (Link).Tatsächlich ist das Hokey Pokey dermaßen erfolgreich, dass wegen der permanenten Menschenschlange vor dem Laden schon das Ordnungsamt aktiv wurde. Der Besitzer wusste sich nicht anders zu helfen, als den Eispreis pro Bällchen um 60 Cent anzuheben, nur, um des Andrangs irgendwie Herr zu werden.
Wow! Wir hatten den Preis des Erfolges gezahlt! :D

(Eine gute Freundin sagte, diese Art von "Hypes um Nix" wäre genau der Grund, warum sie Berlin nicht so dolle fände, aber ich mag Berlin genau wegen dieses bekloppten 24/7-"Schnullewupp goes viral"-Gedöns.)


Dienstag, 19. Mai 2015

ru24-Test: Wie verträglich bist du als Biker? (aus aktuellem Anlass)

photo credit: roll out via photopin (license)
Ist Motorradfahren mehr als nur fossile Brennstoffe in Lärm, Gestank, CO2 und verstopfte Straßen umwandlen?

Mach den ru24-Test:
Wie verträglich bist du als Biker?
Einfach die S und U in den Klammern hinter jeder für dich passenden Kategorie aufaddieren:

Du bist ein Garagenbiker. Du hast ein Motorrad. Das steht angemeldet in der Garage. Die Jahreszeiten fliegen nur so dahin. Dann meldest du es zum Winter wieder ab. Gefahren bist du nicht.
(+25 S, +25 U)

Du bist ein Motorradfahrer. Einfach so. Du hast kein Auto. Mit dem Motorrad fährst zur Arbeit, einkaufen und in Urlaub. Einfach so. Nichts an der Tatsache, dass du Motorradfahrer bist, ist Pose. Du fährst von A nach B weil du dort hin musst und wieder zurück. Einfach so. Korrekt.
(+20 S, +20 U)

Du bist ein Wochenendbiker. Wetter toll, SMS- oder Telefonkette, schon geht's los. Es gibt euch nur in der Mehrzahl. Eure Bikes sind gewienert und nur Bettnässer haben keinen Sportauspuff z.B. von Sebring - Lärm gehört einfach dazu - es ist soo wichtig, dass der Sound richtig geil ist. Wenn ihr dann in 25er-Gruppen beim ersten Sonnenstrahl des Jahres tosend die Straßen verstopft, ist es dann nicht putzig mit anzusehen, wie die Autofahrer mit den offenen Fenstern sich schmerzverzerrt die Finger ins Ohr stecken oder hastig die Scheibe heraufkurbeln? Das Leben ist schön, ihr seid lässig. Bei Regen - pfui! - wartet ihr unter Brücken. Später im Biker-Café lasst ihr voll lustig die Sau raus.
(-10 S, -20 U)

Du bist ein Café-Biker. In sechsfarbiges Leder gehüllt, lässt du am Wochenende mit Freunden deine vollverkleidete Eierbecher-Reisschüssel (in den gleichen Farben wie deine Montur) an einem einschlägigen Biker-Café sehen, nachdem du fast 12 Kilometer zurückgelegt hast, um dorthin zu gelangen. Breitbeinig in Pose schlürfst du deinen neunten Cappuchino und glotzt der Bedienung auf den Arsch. Mit deinen Kumpels führst du nur knallharte "Benzingespräche", egal, ob ihr Mädels dabei habt oder nicht. Beim ersten Anzeichen von Schlechtwetter geht’s ohne Umweg wieder heimwärts, die Karre putzen und den Luftfilter reinigen. Abends gibt's noch aus der Frittenschmiede.
(+5 S, -5 U)

Du bist ein Urlaubstourenbiker (I). Wochenlang planst du mit Freunden für deinen Urlaub die diversen Alpenpässe und Routen mit ADAC-Kartenmaterial von 1964. Dein Motorrad klappert, so hast du mehr Werkzeug, Öl und Panzer-Tape dabei als alles andere. Auf deiner Tour hast du Zeit und Muße, auch mal was von Land und Leuten zu genießen, zumal die Krampe, die vorneweg fährt, jeden Abzweig verpasst. Du lebst auf fragwürdigen Campingplätzen von billigem Tüten-Rotwein.
(+10 S, +5 U)

Du bist ein Urlaubstourenbiker (II). Wochenlang planst du mit Freunden für deinen Urlaub die diversen Alpenpässe und Routen. Das Internet hat als Informationsmedium längst vergilbendes Kartenmaterial abgelöst. Dein Motorrad ist das Beste, das es für Geld zu kaufen gibt, deine Montur ist eine Ritterrüstung der Sicherheit. Helmfunk und Sateliten-Navigation runden das Erlebnis ab. Auf deiner Tour hast du Zeit und Muße, auch mal was von Land und Leuten zu genießen, inklusive Hotelübernachtungen, Kulturprogramm und diversen Kulinaria aus dem Online Guide Michelin.
(+10 S, +10 U)

Du bist ein Rocker. Autos sind nur was für Lappen, du hast nie eins besessen. Dein Bart weht im Fahrtwind. Auf deiner Kluft prangt ein Aufnäher wie "Hell's Angels", "The Living Dead" oder "Ghostrider", das Leder ist ein jahrzehntealtes Biotop. Zusammen mit dem WK II-Stahlhelm, der knatternden Harley mit dem Chopper-Lenker und den ganzen versteckten Waffen bist du eine One-Man-Army. Dich macht keiner an. Deine Reisegeschwindigkeit ist etwa 10 km/h schneller als ein Trecker. Auf dem Weg von Herne-Wanne nach Wanne-Eickel verdrückst du fünf Dosen Bier.
(+10 S, +10 U)

Du bist ein Flachschädler. Dein „Helm“ ist ein sogenanntes „Braincap“, eine winzige Schüssel, die nur den oberen Teil deines Kopfes schützt. Damit zeigst du allen, was dir dein Gehirn im Falle eines Unfalls Wert ist. Deine auf Hochglanz polierte Harley scheint fast vollständig aus Chrom zu bestehen. Jeder, der dich breitbeinig auf deiner Karre sitzen sieht, denkt sofort unwillkürlich „Affe auf Schleifstein“. Dein Auspuffrohr hast du weitestgehend ausgeräumt, nun ist der Sound der Maschine deinem Ego angemessen. Und was du von deinen Mitmenschen hältst, dröhnst du auf deinem gesamten Weg mit der Lautstärke eines scheiss Presslufthammers heraus, denn du bist ja DER VERDAMMTE DONNERGOTT!!!
(-35 S, -35 U)


Du bist ein sog. "Streetfighter". Wenn dein barbarisches "YAWP!" über den Hügeln erschallt, während die Drehzahlnadel rechts aus dem roten Bereich wieder herausdreht, zeichnet eine am Motorrad installierte Videokamera alles auf, damit du ins Netz stellen kannst, was du doch für ein knallharter und ultracooler Triple-X-Typ bist. Verzerrt rauschen 30, 50 und 70 Schilder am Bildrand vorbei. Andere Verkehrsteilnehmer oder gar Passanten lässt du in Schreckstarre einfach stehen. Wenn du dich dann bretzelst, Gliedmaßen an Leitplanken zurücklassend wie abgebrochene Blinker, wirst du nicht ohnmächtig, sondern du lächelst, weil dein Zusammenflicken die Solidargemeinschaft der Krankenkassen übernimmt, ebenso wie die komplette Prothetik. Außerdem hast du im Krankenhaus und in der Reha endlich mal Zeit, ein paar neue, aufregendere Stunts zu planen. Du bist also der Typ von Sozialschmarotzer, der in keiner Statistik auftaucht. Und solltest du dein unfasslich aufregendes Leben doch einmal aushauchen, gehe nicht alleine, nimm einfach ein paar Unbekannte mit!
Sicherlich wird ein um dich trauernder Mensch am Straßenrand ein Kreuz aufstellen, auf dem völlig verrückterweise auch noch "Warum?" steht.
(-50 S, -50U)


Ergebnis der Verträglichkeitsstudie (Dalai bis Dschinghis):

S = Sozialverträglichkeit
bis 20 oder mehr: Du bist der Dalai Lama des Bikens!
bis 10 oder mehr: Du bist echt sozialverträglich
Null: Naja, denk' nochmal drüber nach
-10 oder weniger: uuh... !
viel weniger: Würg! Hauptsache du hast deinen Spaß, Dschinghis!

U = Umweltverträglichkeit
bis 20 oder mehr: Umweltengel des Bikens!
bis 10: echt umweltverträglich
Null: denk' nochmal drüber nach
-5 oder weniger: uuh... !
viel weniger: Würg! Na denn, nach dir die Sintflut, Dschinghis!


Donnerstag, 14. Mai 2015

schützenswertes Brauchtum

Photo Credit: Bild (Link), by Kasallek (Link) on flickr
Für das unbewaffnete Auge mag die bäuerlich-ländliche Sitte, wonach sich männliche Mitbürger, die das Privileg "Erziehungsberechtigter" genießen, am sogenannten "Vatertag" bis zur Gesichtslähmung besaufen, dabei mit Gleichgesinnten einen Bollerwagen voller Alkoholika hinter sich herziehen und die Straßen akustisch mit archaischem Gegröle und optisch mit ihren bepissten Camp-David-Klamotten verunstalten, dabei in Vorgärten kotzen wie die Reiher, wie ein grotesker Anachronismus erscheinen.
Tatsächlich handelt es sich hier aber um hochgradig schützenswertes Brauchtum.
Denn: Wie viele Bräuche und Sitten wurden bereits auf dem Altar der Moderne und des Kapitalismus geopfert? Vatertagsumzüge, das sind vielleicht bemerkenswert rustikal-provinzielle Ärgernisse, aber wenigstens handelt es sich hier um seit vielen Generationen tradierte, gesellschaftliche Werte, vergleichbar vielleicht mit Jungsesell(inn)enabschieden oder der Steinigung zur Ahndung von "Unzucht" (Fremdgehen) z.B. im Irak.
Weiter so!


Freitag, 8. Mai 2015

Bürogeplänkel 56: Hygienekopfkino!

geheimnisvolle Hygieneartikel (Originalfoto)

Auf der Damentoilette in der Firma tauchen immer wieder geheimnisvolle Hygieneartikel auf, die die Damenwelt in meiner Büro-Umgebung unaufhörlich in Unruhe versetzen! Gottogott! Zuerst Mango-Handcreme, dann SPRIT-Parfum... Zuletzt materialisierte sich ein Balea Deoroller "Himbeer-Zitronengras". Seitdem diskutierten meine Kolleginnen drei Tage in Folge, welche Besucherin einer zivilisierten Damentoilette wohl einen Deoroller benutzt, den sich ja theoretisch bereits [alle] durch die schweißfeuchte Achsel gerollt haben ...
Kraisch!!!

Aber das ist ja noch gar nichts, denn Menschen waren nicht immer so dermaßen heikel.
Es gibt ein gemeinhin wenig bekanntes Element namens Antimon (chem. Symbol Sb). Das Halbmetall ist bereits seit der Antike bekannt, im Mittelalter wurde es in Pillenform als stark wirkendes Abführmittel verwendet. Allerdings löste sich die Metall-Pille im Körper nicht auf, sie wurde komplett wieder ausgeschieden, sodass man ihrer wieder habhaft werden konnte. In Familien, in denen das Glück hold war, wurde dieses famose Abführmittel über Generationen weitervererbt. (Quelle: Link)
Hygienekopfkino!!!
DAS! IST!! SPARTA!!! :D


Dienstag, 5. Mai 2015

ru History 55: Stayin' alive bei Musik-Pluralismus (1989)

photo credit: Sony Walkman: It's Alive! via photopin (license)

1989 sind wir mit dem erweiterten Freundeskreis zur Insel Texel gefahren. In dem Bungalow gab es einen zuerst überfüllten, aber immer bereits nach wenigen Minuten leergefegten Kühlschrank (Bemerkung: "Wir sind ja auch zu neunt!"), eine Anrichte, auf der sich eine Tsunami-Welle benutzten Geschirrs stapelte und einen (1) Stereo-Kassettenrecorder.
Jeder von uns hatte seine Musik-Kassetten dabei:
Frank hörte Soft-Soul und "Grand Prix"-Chansons.
Michael hörte Indie Rock.
Claudia hörte tendenziell Rock.
Sandra hörte Stevie Wonder.
Ich hörte Jean Michel Jarre.
Lutz hörte Pink Floyd.
Diana hörte Charts (Roxette & Co.).
Marc und Uli hörten Spandau Ballet.
Sobald Frank seine Kassette mit den grausamen Schnulzen des vergangenen "Grand Prix de l'eurovision de la chanson" einlegte, rollten alle-minus-einer mit den Ausgen, mindestens fünf der Anwesenden steckten sich symbolisch einen Finger in den Hals, nach 1,73 Liedern wurde der Versuch abgebrochen. Sandra schlich heran und von da an verseuchte Stevie Wonder mit "Isn't she lovely" den Raum. Die Anzahl der Finger stieg auf sieben, einer machte Ritz-Zeichen am Handgelenk. Das Lied gehört für mich noch heute zu den großen Folter-Klassikern. Meine Kassette "Equinoxe" lief leider auch nur wenige Minuten, unter lautem Muhen und Mähen wurde sie gegen Pink Floyd ausgetauscht, was von 80% der Anwesenden leider nur für eine Weile zu ertragen war, usw. ...
Plötzlich und unerwartet war es still auf der Bude.
Alle staunten und starrten.
Frank hatte den Stecker gezogen.
Er bekam 16 Augenbrauen.
Dann sagte er den bedeutendsten, später noch oft zitierten Satz des gesamten Urlaubs:
"Ich glaube kaum, dass 'keine Musik' auf mehr Widerstand stoßen wird, als irgendeine!"
Das haben wir alle spontan eingesehen.
Die Musik blieb aus oder wurde via Walkmen konsumiert.


Freitag, 1. Mai 2015

Discos

photo credit: Brodus' Disco Ball via photopin (license)

Hier in der Provinz des Bergischen Landes sind Diskotheken beliebt, schon weil es wenige davon gibt. Das Publikum ist anspruchslos und diese wenigen Ansprüche werden von den Läden keinesfalls übererfüllt. Viele meiner Freunde sind in den Jahren mit geradezu manischer Regelmäßigkeit in Discos gegangen, als gäbe es dort etwas zu finden. In aller Regel fand man nichts. Ich war schon immer mehr der Kneipentyp, denke ich, aber was sollte ich machen -- ich wurde einfach mitgeschleppt.


Der Viehhof (80er Jahre), Remscheid. Der Laden hieß eigentlich "Vieringhauser Hof". Hier war ich nur ein- bis zweimal, es muss ca. 1984 oder '85 gewesen sein. Der Laden von mittlerer Kneipengröße wurde im Inneren von maximal zwei Fahrradbirnchen "illuminiert" -- es war so dunkel wie im Hühnerarsch. Lediglich die Tanzfläche wurde mit Schwarzlicht ausgeleuchtet. Das macht gruselige Augen und man ist irgendwie immer flusig. Junge Frauen in weißen Herrenoberhemden sehen indes geradezu blendend aus! Die im Dunkeln sich haltenden Besucher rauchten zuhauf "Kräuterzigaretten". Drogenfahnder ließen sich hier lange Zeit nicht sehen, weil die schon nach zwei Stunden atmen in dem Schuppen ihre nächsten UK (Urinkontrolle) nicht mehr bestanden hätten.

Das Exit (1986-2005), Solingen, Bild, lag unterhalb der Müngstener Brücke. Exit, hieß es, weil die höchste Eisenbahnbrücke Deutschlands mit 107 m ein beliebter Absprungpunkt für Selbstmörder ist. Selbst wenn man oben steht und sich dann nicht traut zu springen -- irgendwann kommt der Zug. Der Eintritts-Token des Exit, gut für ein Freigetränk, zeigte ein kleines Männchen, welches von einer stilisierten Brücke springt. Im Exit selbst war es etwas heller als im Viehhof. Musikalisch war der Laden recht breit aufgestellt, ich freute mich immer auf Anne Clarkes "Our Darkness" und "Sleeper in Metropolis". Sonntags war Indie/Gruftie-Abend, dann rückten "die Schwatten" mit ihren Leichenwagen an, um auf der Tanzfläche vor und zurück zu wandern. Ein Bekannter von mir hatte das Innere der Disco mal bei normaler Beleuchtung gesehen: Er schwor, sich nie-nie-niemals wieder auf sein "Lieblingssofa" dort zu setzen, welches in Wirklichkeit -- bei Licht betrachtet -- ein nichtswürdiges, übel verkeimtes und hart verranztes Teil gewesen war.

Das Erpel, eigentlich RPL, also vielmehr "Rockpommel's Land" (Link) (Gevelsberg), gibt es seit 1984. Von außen ist es eine lächerliche Kaschemme, innen rockt es reichlich. Ich bin mit meinen (damaligen) Metalfreunden 1987/88 wohl einige Male dort gewesen, die Jungs -- gewandet in schwarze Stretch-Jeans, Metalshirt (Venom, Posessed, Slayer) -- headbangten, mosthen und airguitarten sich mit wilder Mähne einen zurecht. Da ich ja noch nie wirklich auf analoge Musik gestanden hatte, wartete ich notgedrungen mit der Gelassenheit einer Hindu-Kuh auf das einzige Synthesizer-Lied des Abends: Judas Priest "Turbolover" (Link - *grusel!*). Kaum jaulten die ersten Klänge davon durch den Laden, johlte und buhte allerdings jeder Kern-Metaller, denn Judas Priest verwendete im 1986er Album "Turbo" Gitarren-Synthesizer. Wie kommerziell war das denn?
Ich war nicht die Zielgruppe des Erpel.

Das Tarm-Center (Link) in Bochum (1986-2003) war ein megalomanischer Popperschuppen mit dem Feature "Lasershow". Hoch auf den Boxen tanzten wie Aufzieh-Äffchen profilierungsneurotische Herren mit bloßem Oberkörper, Leuchtstäbe in den Händen und Trillerpfeifen im Mund - Irx! Es spielte grausamer Mainstream-Mist und die Getränke kosteten [alles]. ES WAR UNGLAUBLICH LAUT. Auch die etwas lahme Lasershow konnte nicht darüber hinwegtäuschen, das ich in keiner Weise auch nur ein kleines bisschen die Zielgruppe dieses Ladens war.

Wo früher in Wuppertal das Rockoko (90er Jahre) stand, ist heute der Gäste-Parkplatz des Ada. Die Disco fand in einer kleinen Fabrikhalle Platz, die Tanzfläche war unten, oben war sie rundherum mit Galerien versehen. Die Toilette wurde nur zu besonderen planetaren Konstellationen geputzt (Uranus und Neptun in Konjunktion), eine zerdepperte Kloschüssel wurde gar nie repariert. Der leicht reizbare DJ spielte auch mal 15x hintereinander "Smells like teen spirit" von Nirvana, vermutlich weil der Pöbel seine Künste nicht zu schätzen wusste und ohnehin tanzte, egal was man ihm vorsetzte -- und wie oft. Zwischendurch konnte man gegenüber einen Döner essen gehen oder etwas feiner nach Nebenan ins Hasret, das heute das Marines beherbergt. Wirklich gut laufende Läden bei Null Instandhaltungskosten werden i.d.R. eines Tages wegen Gier in Tateinheit mit Steuerhinterziehung geschlossen, so auch hier.

Seit 1988 gibt es in Remscheid die Diskothek namens "Déjà-vu", die sich vereinfacht für das juvenile Bergvolk des Bergischen Landes "DEJA WÜ" schreibt. Ich bin um 1993 mal dort gewesen und habe mit Freunden und Bekannten einen Abend verbracht. Woher der Name kam, ahnte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Der Laden war winzig. In den Dunkelzonen an den Wänden drückten sich reglos in speckige Wildlederjacken gewandete Gestalten herum, die Striche auf ihren Bierdeckeln sammelten wie heutzutage fleißige Hausfrauen ihre PAYBACK-Punkte. Sobald aber "ihr Lied" lief, zum Beispiel Melissa Etheridge's "Bring Me Some Water", dann lösten sie sich von der Wand und sprangen genau ein Lied lang wie die Derwische auf der Tanzfläche herum -- jeder bei einem anderen, "seinem" Lied.
Aus Gründen, die für mich heute im Dunkeln liegen, habe ich 15 Jahre später, also um 2008 herum, den Laden wider besseres Wissen noch einmal aufgesucht. Wenig hatte sich verändert, außer dass man in den ohnehin beengten Schuppen nun auch noch ein Raucheraquarium eingezogen hatte, durch welches die Süchtigen mit blutunterlaufenen Tiefseefisch-Augen auf die Tanzfläche starren konnten, derweil sie Steuergelder verinhalierten. In den Dunkelzonen an den Wänden sah man schwach die Silhouetten möglicherweise neuer üblicher Verdächtiger kauern. Plötzlich spielte es Melissa Etheridge's "Bring Me Some Water", sofort löste sich mit einem schmatzenden Geräusch Freund Sonne von 1993 von der Wand und sprang genau ein Lied lang mit seiner mittlerweile endspeckigen Wildlederjacke auf der Tanzfläche herum. Wow! Wie traurig, wie tragisch! Aber in diesem Augenblick hatte ich ein prachtvolles Déjà-vu!
Daher also.