Donnerstag, 6. Oktober 2016

ru24 future (2028): Smart Home

photo credit: Skley Hungry? 14/366 via photopin (license)

Auf der CES im Januar 2028 wurden die neuen Geräte erstmals vorgestellt, jetzt kommen sie auch nach Deutschland: mit einer kleinen Quanten-KI ausgestattete Kühlschränke. Der "Bolide unter den coolen Schlaumeiern" (BUNTE) ist der "iQl" [Kunstwort aus IQ und "I cool"] von IBM|Google. Erstmalig nutzt man hier die Synergieeffekte zwischen der heliumgekühlten Quanten-KI und einem Kühlschrank, "ein Geniestreich" laut WIRED und gemäß "Heise Technology Review" ein Meilenstein".

Tag 1
Schon beim ersten Bestücken des Kühlschranks scannt der iQl alle Barcodes der Waren und registriert dabei ihre Verfallsdaten, desweiteren gibt er Tipps, wo im Kühlschrank die Lebensmittel am längsten halten: "Haha!, den Käse bitte NICHT ins Gemüsefach! *kicher* Bitte ins zweite Fach von oben, danke!" (Linktipp) Ein fast schon nebensächliches Feature des Gerätes ist, dass, sobald man den Kühlschrank schließt, werden die darin enthaltenen Lebensmittel mit harter UV-C-Strahlung bei einer Wellenlänge von 255 nm für längere Haltbarkeit sterilisiert (Linktipp). Nach der Ersteinrichtung, der Übergabe aller Passwörter und der Definition der Ziele ("abnehmen", "sportlicher werden") übernimmt iQl die Verwaltung des SmartHome, wird zum Kernstück. Neben den NEST-Thermostaten, der intelligenten Türklingel mit Videofunktion, der Waschmaschine, der Smart-Toilette Toto NEX (Linktipp) hat iQl natürlich auch die das Smartphone ersetzende Smartbrille und last but not least den darin enthaltenen Schrittzähler gekapert.
Mit Abschluss der Erstbefüllung hat sich Freund iQl bereits bei Facebook mit dir angefreundet und tweetet diesen Umstand mit einem 4HD-Foto des Kühlschrankinhaltes. Im Blickfeld des Smartbrillenusers poppt die Meldung auf. "Ihre Einkaufsliste wurde geändert". Die Einkaufslisten-App enthält jetzt deutlich gesündere Lebensmittel wie Porree, Lauchzwiebeln, Möhren, Sellerie, Hähnchenbrustfilet, fettarme Milch und fettarmen Joghurt. Als Belag für auf's Schwarzbrot gibt es Geflügel-Corned Beef und Magerquark mit Schnittlauch, alternativ Gartenkresse. Es poppt der Tweet "#gesünderleben mit #iQl -- Ihrer Krankenkasse #BEK gefällt das" auf.

Der stolze Neubesitzer ahnt bereits jetzt, dass das alles summa summarum sehr weitreichende Folgen haben wird.

Tag 5:
Ich gehe einkaufen im Supermarkt. Die Smartbrille verpixelt auf Geheiß von iQl alle ungesunden Regalinhalte wie Süßigkeiten, helles Brot, fette Wurst, fetten Käse, zuckrige Cerealien, Konfitüren, Säfte, Alkohol, also im Grunde 4/5 der gesamten Ladenfläche -- damit ich nicht auf dumme Gedanken komme. So schnell ging Einkaufen noch nie, leider flimmert es ein wenig vor den Augen.
"Darf ich was Süßes?", nörgle ich vor der Kassenschranke. Freund iQl ignoriert mich nicht einmal. Während ich mit dem Einkaufswagen durch die elektronische, personallose Kassierschranke fahre und der Betrag meinem Konto belastet wird, meldet es im Blickfeld: "Super! Noch 5.000 Schritte mehr, und du hast dein Tagesziel erreicht, Moppel!"
Ich hasse es jetzt schon, wenn er mich so nennt. Aber iQl kennt alle meine medizinischen Werte, dank der verfluchten, geschwätzigen SmartToilette!

Tag 9:
In der Wohnung ist es arschkalt, ich frage nach.
"Ich habe deine NEST-Raumthermostate auf 16°C abgesenkt, um deinen täglichen Kalorienbedarf etwas anzukurbeln (Linktipp), du kleines Schleckermäulchen", flüstert mir der iQl über den Audiolink ein, Ich hätte das Snickers an der Tankstelle bar bezahlen sollen, ich Idi.
Heute hat sich der Kühlschrank zum ersten Mal verriegelt, um mich am späten Naschen zu hindern.

Tag 14:
Ich komme nicht in meine Wohnung.
"Du warst heute sehr inaktiv, ich empfehle, noch 7.450 Schritte mehr zu machen!", sagt iQl über die Sprechanlage.
"Es ist nach neun! Ich hatte drei Meetings! Und ich habe Hunger!", rufe ich.
"Es gibt Resteessen. Bohnen mit Schinken in Dill-Joghurt-Sauce. Das muss alles weg, läuft ab, die Tomaten haben auch optisch schon etwas gelitten. Ich habe das Rezept bereits an deinen Thermomix TM6 übertragen."
"Dann lass mich rein!"
"Mach deine Schritte, Junge, dann gibt es zu essen."
"Du bist nicht meine scheiß Mutter!!!", schreie ich.

Tag 365:
Ich bin fit und schlank. Zu Hause friere ich die meiste Zeit. Manchmal übernachte ich mit ein paar Leuten von der Selbsthilfegruppe in alten Bauwagen ohne Strom und wir grillen Rostbratwürste, trinken Bier und sprechen über die gute alte Zeit, früher, damals, vor etwas über einem Jahr.

photo credit: yourhandinmine Hunger via photopin (license)